Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht (Rechtsgebiete) des aktuellen Monats
Bundesrat billigt Verbraucherentlastung bei Inkassokostenlesen
Das Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur
Änderung weiterer Vorschriften wurde im Bundesgesetzblatt verkündet
und trat am 1.1.2021 in Kraft.
Gebührensenkung: Schuldner werden künftig dann entlastet,
wenn sie die Forderung direkt nach einem ersten Mahnschreiben begleichen oder
nur mit kleineren Beträgen von bis zu 50 € im Verzug sind. Eine Kostenbegrenzung
gibt es in Zukunft auch in den Fällen, in denen Gläubiger parallel
Inkassofirmen und zugleich Anwaltskanzleien beauftragen.
Zahlungsvereinbarungen: Verbraucher werden besser über die beim
Abschluss von Zahlungsvereinbarungen entstehenden Kosten und die Tragweite
von Schuldanerkenntnissen aufgeklärt. Inkassounternehmen müssen z.
B. in Textform darauf aufmerksam machen, dass man sich bei einem Anerkenntnis
nicht mehr auf die Verjährung einer Forderung berufen kann.
Gesetze zur Reform des Insolvenzrechts in Kraft getretenlesen
Zum Anfang des IV. Quartals 2020 bzw. zum Jahresanfang sind zwei wichtige Gesetze
zur Reform des Insolvenzrechts in Kraft getreten. Das Gesetz zur weiteren Verkürzung
des Restschuldbefreiungsverfahrens trat mit Wirkung vom 1.10.2020 in Kraft und das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und
Insolvenzrechts trat am 1.1.2021.
Die Insolvenzantragspflicht soll den Vertragspartner einer Gesellschaft unter
anderem davor schützen, dass er sich vor Prozessführung mit der unerkannt
insolvenzreifen Gesellschaft mit Kosten belastet, die er bei der Gesellschaft
als Kostenschuldnerin nicht mehr realisieren kann.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen kann der Ersatz freiwilliger Aufwendungen
verlangt werden, die nach Verletzung der Insolvenzantragspflicht in dem Vertrauen
auf die Solvenz des Schuldners und der vernünftigen Erwartung gemacht werden,
einen vor Insolvenzreife gegen den Schuldner begründeten Anspruch durchzusetzen.
In einem vom Oberlandesgericht Karlsruhe entschiedenen Fall hatte ein Unternehmen
eine GmbH mit Werkleistungen beauftragt. Aufgrund reklamierter Mängel beauftragte
das Unternehmen, im Vertrauen auf die Solvenz des Vertragspartners, ein sog.
selbstständiges Beweisverfahren zur Klärung. In dessen Rahmen sind
dem Unternehmen Kosten entstanden. Hätte der Gläubiger von der Zahlungsunfähigkeit
gewusst, hätte er das selbstständige Beweisverfahren nicht angestrengt
und wären auch keine Kosten angefallen. Diese entstandenen Kosten waren
vom Geschäftsführer der GmbH zu ersetzen.
Der Geschäftsführer einer GmbH wird für diese in aller Regel
auf der Grundlage eines freien Dienstvertrags, nicht eines Arbeitsvertrags,
tätig. Auch gegenüber einem Geschäftsführer als freien Dienstnehmer
steht der Gesellschaft ein unternehmerisches Weisungsrecht zu. Eine Weisungsgebundenheit
des GmbH-Geschäftsführers, die so stark ist, dass sie auf einen Status
als Arbeitnehmer schließen lässt, kommt allenfalls in extremen Ausnahmefällen
in Betracht.
Das Anstellungsverhältnis wandelt sich auch nicht ohne Weiteres durch
den Verlust von zuvor übertragenen Geschäftsführeraufgaben in
ein Arbeitsverhältnis um. Das kommt allerdings dann in Betracht, wenn der
Geschäftsführer bei der Ausübung seiner verbliebenen Tätigkeiten
einem Weisungsrecht der Gesellschaft unterliegt.
Dementsprechend gelten bei der Kündigung eines Geschäftsführerdienstvertrags
andere Vorgaben als für einen Arbeitsvertrag. Wird beispielsweise die Vergütung
nach Monaten bemessen, ist die Kündigung spätestens am 15. eines Monats
für den Schluss des Kalendermonats möglich und bei einer Vergütung,
die nicht nach Zeitabschnitten bemessen wird, jederzeit.
Vergleichsentgelt - Vermutung der Benachteiligung wegen des Geschlechtslesen
Nach dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) haben Beschäftigte zur
Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots einen Auskunftsanspruch
gegenüber dem Arbeitgeber zur Entlohnung anderer Arbeitnehmer mit der gleichen
oder einer gleichwertigen Tätigkeit. Der Anspruch bezieht sich auf das
durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt und auf bis zu zwei einzelne Entgeltbestandteile.
Klagt eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit,
begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das vom Arbeitgeber
nach dem EntgTranspG mitgeteilte Vergleichsentgelt der männlichen Vergleichsperson,
regelmäßig die - vom Arbeitgeber widerlegbare - Vermutung, dass die
Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist.
Überschreiten der Höchstarbeitszeit durch zweite Arbeitsstellelesen
Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) ist die Zeit vom Beginn
bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern
sind zusammenzurechnen. Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf
8 Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu 10 Stunden nur verlängert
werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im
Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Bei
dieser Regelung im ArbZG handelt es sich um ein Verbotsgesetz.
Führt der Abschluss eines zweiten Arbeitsvertrags mit einem anderen Arbeitgeber
dazu, dass der Arbeitnehmer die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit
von 48 Stunden überschreitet, hat dies grundsätzlich die Nichtigkeit
des zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrags zur Folge, entschieden die Richter
des Landesarbeitsgerichts Nürnberg in ihrem Urteil vom 19.5.2020.
Der Fortbestand des Arbeitsvertrags unter Reduktion der vereinbarten Arbeitszeit
auf das gesetzlich noch zulässige Maß kommt nur in Betracht, wenn
sich insoweit eindeutig ein übereinstimmender hypothetischer Wille beider
Vertragsparteien feststellen lässt.
Die Vergütung von Überstunden setzt zum einen voraus, dass der Arbeitnehmer
diese tatsächlich geleistet hat, und zum anderen, dass die Überstunden
vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet worden oder jedenfalls zur
Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind. Für beide Voraussetzungen
- einschließlich der Anzahl geleisteter Überstunden - trägt
der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast.
So entschieden die Richter des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern
am 20.10.2020, dass ein Kraftfahrer, dem vom Arbeitgeber bestimmte Touren zugewiesen
werden, seiner Darlegungslast bereits dadurch genügen kann, dass er vorträgt,
an welchen Tagen er welche Tour wann begonnen und wann beendet hat. Im Rahmen
der gestuften Darlegungslast ist es dann Sache des Arbeitgebers, unter Auswertung
seiner eigenen Aufzeichnungen, zu denen er nach dem Arbeitszeitgesetz verpflichtet
ist, substantiiert darzulegen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer aus welchen
Gründen im geringeren zeitlichen Umfang als von ihm behauptet gearbeitet
haben muss.
Keine rechtzeitige Fertigstellung bei Angabe des Herstellungstermins im Vertraglesen
Aufgrund der zur Zeit niedrigen Darlehnszinsen liebäugeln viele mit dem
Erwerb eines eigenen Hauses oder einer eigenen Wohnung. Die Richter des Oberlandesgerichts
Oldenburg (OLG) hatten in einem Fall aus der Praxis zu entscheiden, in dem die
beiden Vertragspartner über eine im notariellen Kaufvertrag festgehaltene
Frist, bis zu der das Objekt hergestellt werden sollte, unterschiedlicher Meinung
waren. Der Käufer ging davon aus, dass das gesamte Objekt inklusive Außenanlagen
zu diesem Termin fertiggestellt sein muss. Der Verkäufer war der Auffassung,
dass es ausreicht, wenn der Käufer einziehen kann.
Die Richter des OLG betonten, dass es immer auf den individuellen Vertrag ankommt.
Im vorliegenden Fall ergab die Vertragsauslegung, dass es bei dem verabredeten
Datum auf die Bezugsfertigkeit der Wohnung ankommt und nicht auf die vollständige
Fertigstellung des gesamten Objekts. Die Wohnung muss dazu mit Ausnahme von
Mängeln, die nicht die Sicherheit des Wohnens beeinträchtigen, und
mit Ausnahme der Außenanlagen fertiggestellt sein. Denn die Vereinbarung
einer Frist hat insbesondere den Sinn, dass sich der Bauherr auf einen Einzugstermin
einstellen kann.
Es besteht also Schadensersatz für die Zeit zwischen dem verabredeten
Termin und der Bezugsfertigkeit. Dafür, dass nach der Bezugsfertigung der
Wohnung an dem Gesamtobjekt noch Arbeiten vorzunehmen sind, besteht kein Schadensersatzanspruch.
Kündigung wegen Eigenbedarfs des Ex-Ehepartnerslesen
In einem vom Bundesgerichtshof (BGH) entschiedenen Fall war eine Immobilie
seit Sommer 2001 vermietet. 2015 verkaufte der Hauseigentümer das Einfamilienhaus
an seinen Sohn und dessen Ehefrau, die zu dem Zeitpunkt getrennt lebten und
die Scheidung beantragt war. Im Mai 2017 kündigte das mittlerweile geschiedene
Ehepaar den Mietern wegen Eigenbedarfs. Die Ex-Frau wollte mit den gemeinsamen
Kindern und ihrem neuen Lebenspartner in das Haus einziehen.
Grundsätzlich besteht bei dem Verkauf einer vermieteten Wohnung an mehrere
Erwerber eine Kündigungssperre von drei Jahren. Diese gilt jedoch nicht,
wenn die Käufer einer Familie angehören. Als Anknüpfungspunkt
dafür, wie weit der Kreis der Familienangehörigen zu ziehen ist, hat
der BGH die Wertungen der Regelungen über ein Zeugnisverweigerungsrecht
aus persönlichen Gründen herangezogen. Damit zählen diejenigen
Personen, denen das Prozessrecht ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen
Gründen gewährt, zur Familie, zu deren Gunsten eine Eigenbedarfskündigung
ausgesprochen werden kann. Hierunter fallen Ehegatten auch dann, wenn sie getrennt
leben, ein Scheidungsantrag bereits eingereicht oder die Scheidung vollzogen
ist. Somit durfte gegenüber den Mietern die Kündigung wegen Eigenbedarfs
ausgesprochen werden.
Auskunftsanspruch eines Kindes auch bei unbegrenzter Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigenlesen
Verwandte in gerader Linie sind nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch einander
verpflichtet auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen
Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs
oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Für einen Auskunftsanspruch
genügt die Möglichkeit, dass die Auskunft Einfluss auf den Unterhalt
hat. Ein Auskunftsanspruch des Kindes gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil
entfällt nicht allein aufgrund der Erklärung des Unterhaltspflichtigen,
er sei "unbegrenzt leistungsfähig".
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs kommt es beim Kindesunterhalt, insbesondere
bei Geltendmachung eines Mehrbedarfs (z. B. Hortkosten), auf das konkrete Einkommen
des Unterhaltspflichtigen an. So besteht bei einem Mehrbedarf grundsätzlich
keine Alleinhaftung des barunterhaltspflichtigen Elternteils, sondern auch eine
anteilige Mithaftung des anderen Elternteils. Daher bedarf es der Vermögensauskunft
um die Haftungsquote berechnen zu können.
Seit Jahresbeginn sollen Bürger Meldebescheinigungen und andere Verwaltungsleistungen
elektronisch beantragen können. Meldedaten können über ein Verwaltungsportal
selbst aus dem Melderegister abgerufen und weitergenutzt werden. Statt einer
schriftlichen kann nun eine elektronische Meldebescheinigung beantragt und nach
einem Wohnungsumzug eine Anmeldung in der neuen Stadt elektronisch durchgeführt
werden. Auch eine Nebenwohnung kann am Ort der Nebenwohnung abgemeldet werden.